Im amerikanischen Kurvenparadies

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Von Hans-Jürgen Weigt

Der höchste Harley-Laden der Welt wirbt an der Main Street. Ich parke meine 650er neben den Big Twins. Drinnen hängen jede Menge T-Shirts, Jacken, Handschuhe. Zwei Fahrer mit Halstüchern auf dem Kopf kaufen Erinnerungsstücke. Die Sonnenbrille über die Stirn geschoben, die Nasen tief zerfurcht vom Sonnenbrand.

»Bist du mit dem Solinger Kennzeichen unterwegs?« Negativ. SO steht für Soest in Westfalen. Wieso denn mit deutschem Kennzeichen? Sie haben ihre Big Twins ab Phoenix, Arizona, gemietet. Zwei Wochen durch die Rockies. Mal ohne Helm Freiheit und Abenteuer genießen. Dafür mit üblem Sonnenbrand.

Wie sie unterschätzen manche Urlauber die Herausforderungen der Touren durch den Westen. Ein Helm ist kein Luxus und Sonnenschutz für Gesicht und Arme wichtiger als die lässigen Fotos mit Bandana und Lederweste für die Kumpel in der Heimat.

Silverton ist ein beliebter Treffpunkt der Biker. Die alte Minenstadt liegt zwischen 3000 Meter hohen Pässen mit vielen Kurven, sogar Serpentinen sind dabei. Indianerstämme haben hier schon vor Ankunft der ersten Weißen Silber geschürft. Im 19. Jahrhundert war das Nest, wie viele Nachbarorte, eine Boomtown. Man kann noch einige Bergwerke aus der Zeit besichtigen. Zugleich liegt in der Umgebung die große Wasserscheide Nordamerikas.

Einige Meilen östlich entspringt der Rio Grande. Ein paar Tausend Kilometer bis nach Laredo in Texas wird er nun zum Begleiter und mündet schließlich in den Golf von Mexiko. Etwas nördlich von Silverton liegt der Canyon des Gunnison Rivers. Spektakuläre 800 Meter tief hat sich der Fluss ins Land gegraben, ehe er in den Colorado mündet. Und der schafft es durch den Grand Canyon bis nach Nevada und Kalifornien. Dort wird ihm buchstäblich das Wasser abgegraben. Am Pazifik in der Baya California kommt sein Wasser nicht mehr an, wird Richtung Los Angeles abgeleitet.

Inzwischen hat sich der Besitzer des Ladens zu uns gesellt. Er freut sich über alle, die mit dem Motorrad herüberkommen. Immer mehr Leute seien mit Pick-up und Anhänger »on the road«. Um dann mit dem Quad in den Bergen herumzufahren. Quads baut Harley aber nicht. Mit der 650er direkt vor seinem Laden hat er überhaupt kein Problem. »I like V-Stroms.« Hat er tatsächlich gesagt!


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